"Tea Hour" der Sammlung Frauennachlässe
Zeit: 17. Juni 2011, 13-15 Uhr
Ort: Medienraum Geschichte, Hauptgebäude der Universität Wien
Der Vortrag geht der Frage nach dem Politischen in den Tagebüchern von drei Frauen aus den Monaten Februar bis Juli 1934 nach. Als Schreiberinnen wurden Alma Bernharda (1895–1979), Therese Lindenberg (1892–1980) und Elise Richter (1865–1943) gewählt.
Dabei soll auf das Tagebuch der Alma Bernharda (1892–1979) ein besonderer Fokus gelegt werden, da sie in ihrem Tagebuch aus dem Jahr 1934 nicht nur die politischen Ereignisse reflektiert, sondern diese auch in den Gesprächen mit ihrem Beichtvater thematisiert. Neben dessen manipulativen Charakter offenbart sich das spirituelle und scheinbar intime Gespräch als umkämpftes Feld von Politik und zeigt die machtvoll hergestellte Deutungshoheit darüber, was ,richtig‘ und ,falsch‘ ist.
Das Verhältnis Beichte und diaristischer Text (im Tagebuch) kann als gedoppelte und gleichzeitig gebrochene Form der Selbstthematisierung im Raum des Politischen gelesen werden, der schreibend sich re/konstituiert. Weiters soll nicht unerwähnt bleiben, dass beide Praxen für die Geschichte des Geschlächterverhältnisses von Relevanz sind und im 19. Jahrhundert zunehmend von Frauen ausgeübt und von Zeitgenossen als feminisiert beschrieben und damit abqualifiziert wurden.
Anhand der Analyse der Tagebücher zeigt sich, dass Politik sich in mannigfacher Weise manifestiert und re/präsentiert, die Schreiberinnen sich im Feld des Politischen verortet und durchaus als politische Akteurinnen betätigen. Zudem wird evident, dass durch eine unkritische Übernahme von Konzepten wie ,privat‘ und ,öffentlich‘ wichtige Räume des Politischen außer Acht gelassen werden und zudem am Ausschluss von Frauen daraus weitergearbeitet wird. Die Art und Weise, wie Politik in den Einträgen re/konstruiert wird, hängt zudem von einem Politikbegriff ab, der mit der Teilhabe am als öffentlich erklärten Raum korreliert: Alma Bernharda etwa entwickelt in ihrem Tagebuch einen religiös aufgeladenen Begriff von Politik, der sich unter anderem auf Führungsfiguren stützt und politische Ereignisse religiös deutet.